Das muss sich ändern: Diskrepanz zwischen Europarecht und HWGHaben auch Sie eine Kopie des HWG auf Ihrem Schreibtisch liegen? Dann sind Sie in guter Gesellschaft – das Gesetz ist zwar nicht die beliebteste Lektüre, aber es kommt auch kein Marketingmanager in der Gesundheitsbranche daran vorbei. Meist bestätigt ein Nachblättern, dass die Grenzen in der Kommunikation schnell erreicht sind, speziell wenn es um das sensible Thema Patientenkommunikation geht.Die liberalere EU-Richtlinie, die inzwischen von der europäischen, aber auch der deutschen Rechtsprechung als Grundlage herangezogen wird, ist bei vielen Marketingverantwortlichen jedoch noch nicht angekommen.Was viele nicht wissen: Diese Richtlinie wurde geschaffen, um das Arzneimittelgesetz auf europäischer Ebene zu vereinheitlichen. Auch wenn sie noch nicht in deutsches Recht umgesetzt wurde, wird sie von den deutschen Gerichten in der Regel bei der Auslegung des deutschen Rechts berücksichtigt. So wurden in den vergangenen Jahren bereits wiederholt Maßnahmen entgegen der HWG-Vorgabe für zulässig erklärt. Dennoch: Rechtssicherheit für alle Beteiligten sieht definitiv anders aus.Das soll sich ändern: weniger Verbote, mehr KlarheitMit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 18. April 2012 will der Gesetzgeber endlich für mehr Klarheit sowie eine Lockerung des HWG sorgen, indem eine schrittweise Angleichung an die europarechtlichen Vorgaben erfolgt.Was das konkret für Sie bedeutet?Weniger Verbote Verbote, die nicht den europäischen Vorgaben entsprechen, werden durch den Gesetzesentwurf ersatzlos gestrichen. So wird es künftig erlaubt sein, außerhalb von Fachkreisen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Therapien wie folgt zu werben:
- mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen,
- mit der bildlichen Darstellung von Personen, die in Heilberufen oder im Arzneimittelhandel arbeiten,
- mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen,
- mit Veröffentlichungen, die dazu beitragen, bestimmte Krankheitsbilder selbst zu erkennen und mit den beworbenen Arzneimitteln, Therapien etc. zu behandeln. Dies kann auch über audiovisuelle Medien erfolgen.
Unabhängig davon sind allerdings bei sämtlichen Werbemaßnahmen im Gesundheitsbereich immer auch die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben – wie beispielsweise das Verbot der irreführenden Werbung im Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) – zu beachten.Konkretere VorgabenDurch das Einfügen der Worte „missbräuchlich, abstoßend oder irreführend“ werden einige bislang abstrakte Verbote zu konkreten Gefährdungshandlungen. Im Klartext: Nur wenn die Werbung in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt, ist sie zukünftig in den folgenden Fällen verboten:
- Krankengeschichten, die missbräuchlich, abstoßend oder irreführend wiedergegeben werden und zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten können,
- Bildliche Darstellung, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder durch die Wirkung eines Arzneimittels zeigen,
- Äußerungen Dritter, insbesondere mit Dank- oder Empfehlungsschreiben, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen.
Bislang ist eine solche Werbung nach dem HWG grundsätzlich verboten und zwar unabhängig davon, in welcher Weise sie erfolgt.Lockerung bei PreisausschreibenEine weitere Neuerung ergibt sich bezüglich Preisausschreiben, Verlosungen und vergleichbaren Aktionen. Diese sollen künftig nur noch dann verboten sein, wenn sie eine unzweckmäßige oder übermäßige Verwendung von Arzneimitteln forcieren.Der Anfang ist gemachtEndlich ein Schritt in die richtige Richtung: Mit dem neuen Gesetzentwurf rückt die längst überfällige Anpassung des HWG an die europarechtlichen Vorgaben in greifbare Nähe. Die Verabschiedung würde nicht nur zu einer richtlinienkonformen Rechtsprechung in Deutschland führen, sondern auch zu mehr Rechtssicherheit und Möglichkeiten im heilmittelwerberechtlichen Bereich. Es bleibt somit zu hoffen, dass der Gesetzesentwurf das Gesetzgebungsverfahren unverändert durchläuft. Dies wäre ein bedeutender Schritt für die Liberalisierung des Heilmittelwerberechts, die speziell der Pharmabranche völlig neue und innovative Wege im Marketing eröffnet.