Zur Anmeldung
Erschienen am
15.7.2024

Verhaltenspsychologie im Healthcare Marketing (2): Die Kraft des sozialen Einflusses

Heiko Pröger

Menschen orientieren sich an anderen Menschen, weil soziale Normen und das Verhalten der Mehrheit oft als Richtschnur für eigenes Handeln dienen. Da sind Ärzt:innen keine Ausnahme. In diesem Artikel zum Thema „Sozialer Einfluss“ beleuchten wir die Wirkung sozialer Normen und zeigen, wie sie im Healthcare Marketing im positiven Sinne genutzt werden können. Dieser Beitrag ist Teil einer Serie, in der wir das Potenzial verhaltenspsychologischer Grundsätze im Healthcare Marketing untersuchen.

Die Wissenschaft hinter sozialem Einfluss

Sozialer Einfluss, auch als soziale Normen bekannt, beschreibt die Tendenz von Menschen, ihr Verhalten an dem anderer auszurichten. Es gibt viele Experimente aus der Verhaltensforschung, die die Wirkung sozialer Normen auf das alltägliche Handeln demonstrieren, von denen wir hier zwei exemplarisch beschreiben.

Wiederverwendung von Handtüchern in Hotels

Bei diesem Versuch  wurden verschiedene Varianten von Botschaften untersucht, die Hotelgäste aufforderten, Handtücher wiederzuverwenden – mit höchst unterschiedlichem Erfolg.

  1. Standardbotschaft: „Bitte helfen Sie unserer Umwelt!“ – 35 % Erfolg
  2. Soziale Norm: „Die meisten Gäste verwenden ihre Handtücher mehrfach.“ – 44 % Erfolg
  3. Spezifische soziale Norm: „Die meisten Gäste in diesem Hotel verwenden ihre Handtücher mehrfach.“ – 49 % Erfolg

Dieses Experiment zeigte, dass durch das Einbeziehen möglichst spezifischer sozialer Hinweise in Botschaften die Wiederverwendung von Handtüchern signifikant gesteigert werden kann.

Kaufbereitschaft für eine unbekannte Marke

Ein weiteres Experiment  untersuchte die Wirksamkeit sozialer Normen im Marketing für eine unbekannte Marke. Zunächst wurde die Kaufbereitschaft für ein Bier untersucht, nachdem die Proband:innen eine fiktive Anzeige gelesen hatten, in der lediglich die Inhaltsstoffe präsentiert wurden. Nachdem diese Anzeige aber um die Ergänzung „South Africa’s most popular beer“ erweitert wurde, verdoppelte sich das Interesse der Konsument:innen, das Bier zu probieren.

Dies unterstreicht die Macht des sozialen Beweises: Was viele tun oder mögen, wird als vertrauenswürdig und attraktiv wahrgenommen.

Anwendung im Healthcare Marketing

Im Healthcare Marketing können soziale Normen genutzt werden, um die Akzeptanz und das Engagement für verschiedene Initiativen zu erhöhen. Hier sind einige praktische Tipps, um sozialen Einfluss effektiv zu nutzen:

Messaging-Tipps

  1. Populäres Verhalten betonen: Beschreiben Sie die Popularität des gewünschten Verhaltens. Beispiel: „Tausende Ärzt:innen nutzen bereits unser neues Fortbildungsangebot.“
  2. Spezifität erhöhen: Je spezifischer die Botschaft, desto erfolgreicher. Beispiel: „95 % der Ärzt:innen in Ihrer Region haben sich bereits für unser Webinar angemeldet.“
  3. Reziprozität betonen: Botschaften, die Gegenseitigkeit betonen, funktionieren besonders gut. Beispiel: „Wenn Sie zur Blutspende gehen, helfen Sie, Leben zu retten. Und im Notfall könnten Sie selbst auf eine Blutspende angewiesen sein.“

Vorsicht bei der Anwendung

Es ist wichtig, die richtige Balance zu finden und nicht unreflektiert soziale Normen zu betonen. Negative Auswirkungen sind ebenfalls möglich, wie eine Studie  im Bereich Naturschutz zeigt. Das Hinweisschild in einem Nationalpark, dass viele Besucher:innen bereits versteinertes Holz entwendet haben, führte zu einem (natürlich unbeabsichtigten) Anstieg des Diebstahls. Besser ist es, positive Verhaltensweisen zu betonen: „97 % der Besucher:innen nehmen kein versteinertes Holz mit. Also machen Sie es bitte auch nicht.“

Fazit

Sozialer Einfluss kann ein nützliches Werkzeug im Healthcare Marketing sein. Durch die Betonung dessen, was andere tun, können wir das Verhalten unserer Zielgruppe positiv beeinflussen. Wichtig ist, dabei spezifische und positive Botschaften zu formulieren, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Indem wir soziale Normen nutzen, können wir die Akzeptanz und Teilnahme an unseren Marketingaktivitäten steigern und letztlich den Erfolg unserer Kampagnen verbessern.

1 Cialdini, R. (1993). Influence: Science and Practice.

2 Shotton, R. (2018). The Choice Factory: 25 behavioural biases that influence what we buy. Harriman House.

3 Cialdini, R. (2003). Crafting normative messages to protect the environment. Current Directions in Psychological Science, 12(4), 105–109.

Heiko Pröger

Heiko Pröger

ist Geschäftsführer Beratung bei Spirit Link. Er ist seit 20 Jahren in der Healthcare-Marketingkommunikation tätig und hat schon viele Trends kommen und gehen sehen. Sein Credo: Strategien ohne Maßnahmen sind langweilig. Maßnahmen ohne Strategie sind der sichere Weg ins Chaos.

Alle Artikel von
Heiko Pröger

Das könnte Sie auch interessieren …

29.
Sept
Healthcare-Marketing
Barcamp 2022 in Erlangen
Jetzt Platz sichern