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Erschienen am
22.6.2021

Retrospektiven: Im Projektalltag für ein besseres Miteinander lernen

Juliane Albert

Sicher haben Sie es schon mal erlebt: Das Projekt ist abgeschlossen, das Ergebnis aus der Tür, die Zusammenarbeit im Team und mit der Agentur lief diesmal allerdings nicht so gut. Da das nächste Projekt schon vor der Tür steht, bleibt keine Zeit zurückzublicken, und Sie stürzen gemeinsam in die nächste Aufgabe.

Ist das klug? Ich bin der Meinung, dass es sich lohnt zurückzublicken und zu schauen, was im vergangenen Projekt nicht so gut gelaufen ist, wie das Team funktioniert hat und was man hätte besser oder anders machen können. Mit diesem Text möchte ich dafür plädieren, bewusst Zeit in Retrospektiven zu investieren, und zwar nicht nur am Ende eines Projektes, sondern immer wieder – auch zwischendurch.

Zwei unterschiedliche Formate

Das klassische Format für die gemeinsame Rückschau auf die Lehren einer Zusammenarbeit sind Lessons-Learned-Meetings. Sie sind eine gute Möglichkeit, zusammen mit Ihrem Team und Ihrer Agentur über das Projekt, die Zusammenarbeit, Dinge, die gut und nicht so gut gelaufen sind, und über Gelerntes zu reflektieren. Der Nachteil dieses Formats: Es findet am Ende einer Zusammenarbeit statt und die Lehren können dem Projekt nicht mehr zugutekommen. Im schlimmsten Fall werden die Lehren ganz vergessen.

Diesen Nachteil gleichen Retrospektiven aus. Sie sind ein Ansatz aus der agilen Arbeit und unterscheiden sich von Lessons-Learned-Meetings vor allem in zwei Punkten: dem Zeitpunkt und der Häufigkeit. Das Projektteam – also beispielsweise Sie, Ihr internes Team und das Team der Agentur – nimmt sich im Laufe eines Projektes in regelmäßigen Abständen Zeit und bewertet seine Arbeit vor allem im Hinblick auf drei Dinge: Ergebnis, Prozess und Teamarbeit.  

In agilen Projekten finden Retrospektiven meist am Ende eines Sprints statt. Retros lassen sich aber auch in „klassische“ Projekte einweben. Denn im Grunde geht es darum, Verbesserungspotentiale in einem Projekt aufzudecken, die direkt umgesetzt und angewendet werden können – und diese nicht einfach nur für die Zukunft zu sammeln.  

Erst kürzlich habe ich mit einem meiner Projektteams im Rahmen eines „klassischen“ Projektes wieder eine Retrospektive durchgeführt und erneut gemerkt, wie wertvoll dieses regelmäßige Format für die laufende Arbeit ist. Der gemeinsame und sehr fokussierte Austausch zum Projekt und zur Zusammenarbeit im Team hat unglaublich gutgetan. Es wurde uns wieder klarer, wo wir momentan stehen, wie jeder einzelne gerade auf das Projekt und das Team schaut und wo Anpassungen nötig sind, damit wir noch besser zusammenarbeiten können.  

Was es braucht

Dass Formate wie Retrospektiven erfolgreich sein können, setzt die Offenheit, Ehrlichkeit und auch Kritikfähigkeit Ihres Teams und die der Agentur voraus. Es dürfen – und sollten unbedingt – schwierige und kritische Punkte angesprochen werden. Leider ist das oft der Knackpunkt, warum solche Formate gar nicht erst durchgeführt werden: Es besteht die Angst vor Schuldzuweisungen, die dann in schlechter Stimmung im Team resultieren.

Mein Tipp: Lassen Sie Ihr Meeting von jemandem moderieren, der gelernt hat, diese Art von Austausch gut zu strukturieren, zu führen und der weiß, wie man mit Spannungen im Team gut umgehen kann. Ein weiterer Vorteil davon: Sie können so voll und ganz Teil der Retrospektive sein und müssen sich nicht gedanklich um die Moderation kümmern.  

Wichtig ist es, dass Sie und das Team sich auch die guten Sachen anschauen und dass Wertschätzung und Lob geteilt werden. Das wirkt sich positiv auf den Teamzusammenhalt aus und gibt allen Beteiligten ein gutes Gefühl.  

1. Phase: Start der Retrospektive

Die Teammitglieder kommen im Meeting zusammen. Der Moderator hat vorab eine passende Methode (Starfish, 6-Felder-Matrix etc.) ausgewählt und stellt diese den Teilnehmern vor. Während der Retro verzichten alle Teilnehmer auf Ablenkung.

2. Phase: Gedanken ordnen und Themen sammeln

Je nach Gruppengröße schreiben die Teilnehmer auf 3–5 Karten die für sie relevanten Punkte und Themen auf.  Wichtig ist hier die Balance zwischen Wertschätzung und Verbesserungspotential.

3. Phase: Themen vorstellen und beleuchten

Die Teilnehmer stellen zuerst ihre wertschätzenden Punkte vor und heben hervor, was ihrer Meinung nach im Projekt wirklich gut gelaufen ist. Danach erst werden die Punkt beleuchtet, bei denen die Teilnehmer Verbesserungspotential sehen.

4. Phase: Entscheiden, welche Punkte verbessert werden sollen

Die Punkte, bei denen die Teilnehmer Verbesserungspotential sehen, werden nach Möglichkeit in Themengruppen geclustert. Das Team entscheidet dann, welche 1–2 Punkte die wichtigsten sind und zuerst verbessert werden sollen. Diese Punkte sollten bis zur nächsten Retro näher beleuchtet und Verbesserungsvorschläge vorgenommen werden. Dafür werden verantwortliche Personen aus dem Team ausgewählt.

5. Phase: Abschluss der Retro

Nach der Entscheidung aus Schritt 4 wird die Retrospektive in der letzten Phase abgeschlossen. Das Team kommt nach der nächsten Iteration bzw. nach einem individuell festgelegten Zeitraum wieder zusammen und bewertet die Verbesserungsvorschläge oder gegebenenfalls auch schon den Erfolg von umgesetzten Maßnahmen.

Fazit

Wenn Sie Wert auf eine gute, langfristige Beziehung auf Augenhöhe mit Ihrer Agentur legen, sind Retrospektiven ein effektives Werkzeug, um die Zusammenarbeit immer weiter zu verbessern.  

Durch die Regelmäßigkeit von Retros im Projektverlauf können Sie im nächsten Termin direkt überprüfen, ob die gewünschten Änderungen bereits umgesetzt werden konnten oder wo es noch Nachbesserung bedarf. Dieser Prozess birgt größere Chancen für eine wirkliche Verbesserung in der Zusammenarbeit.  

Nehmen Sie sich also Zeit für Retros im Projektverlauf! Besonders wenn die Zeit knapp ist – und das ist sie ja eigentlich auch immer – und Ihnen andere Dinge viel dringender erscheinen: Die Zusammenarbeit mit Ihrem Team und der Agentur zu verbessern, ist eine der nachhaltigsten Zeitinvestitionen, die Sie tätigen können.

Juliane Albert

Juliane Albert

arbeitet seit 2015 als Projektmanagerin bei Spirit Link. Für die Kunden aus der Medizintechnik- und Pharmabranche setzt sie vor allem Projekte im digitalen Bereich um. Egal ob Multi-Channel-Kampagne, App oder Webseite – besonders spannend findet sie die Projektvielfalt und die Möglichkeit, sich immer wieder in neue Themen und Projektarten hinein zu denken. Ihr Antreiber bei der Projektumsetzung: Projektteam und Kunde müssen gleichermaßen glücklich mit Zusammenarbeit und Projektergebnis sein!

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Juliane Albert

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