Am 6. und 7. April fand in Paris die Health 2.0 Konferenz statt. Über 500 Teilnehmer aus Europa und den USA diskutierten intensiv über aktuelle digitale Entwicklungen im Gesundheitswesen. Das Besondere an der Konferenz: Alle Parteien, die im Gesundheitswesen eine Rolle spielen, kamen zu Wort und so wurde das „große Bild“ einer neuen, digitalisierten Art von Healthcare sichtbar.Nach der Konferenz stand für meinen Kollegen Ralf und mich fest, dass die digitale Revolution im Gesundheitswesen umfassend sein wird. Das komplette Gesundheitssystem aus Patienten, Leistungserbringern und Leistungsträgern wird künftig online abgebildet werden.Einen Blick in die Zukunft kann man in Dänemark werfen, wo durch eine starke Lenkung des Staates die Online-Zentrierung vorangetrieben wurde. In den letzten 20 Jahren wurden einheitliche Datenstandards geschaffen und 85 Datenquellen zu einem e-Health-Portal (sundhed.dk) verknüpft.
Seit 2002 kann jeder Patient zahlreiche e-Services (wie Online-Terminvereinbarung) nutzen und hat Zugriff auf seine elektronische Patientenakte. Den Ärzten bietet der Dienst z.B. einen zentralen Online-Zugang zu allen dänischen Labordaten (und viele weitere Services). Dies spart dem dänischen Gesundheitssystem jedes Jahr mehrere Millionen Euro und bringt natürlich viele Vorteile für jeden Beteiligten mit sich.Weitere gute Beispiele für die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens aus ganz Europa und den USA sind:
- Recherche des Patienten nach Gesundheitsinformationen (Gesundheitsportale imedo.de aus Deutschland, orphanet und Le Guide Santé aus Frankreich, Healthline.com aus USA)
- Online-Sprechstunde beim Arzt (paginemediche.it aus Italien, American Well aus USA, 3Gdoctor aus UK)
- Arzneimittelvergabe durch Apotheker (Dossier Pharmaceutique in FR)
- Austausch und Weiterbildung der Ärzte untereinander (doctors.net.uk aus UK, sermo aus USA, MEDTING aus Spanien, neurosurgic.com aus Schweden)
- Begleitung und Management der Therapie chronischer Krankheiten über lange Zeiträume (Imperativehealth aus UK, PatientsLikeMe aus USA)
- Bewertung des Arztes (iWantGreatCare und Patient Opinion aus UK)
- Vorbeugung von Krankheiten mit Hilfe von Online-Services (The Prevention Plan aus USA und UK)
- Archivierung aller Gesundheitsereignisse in elektronischen Patientenakten (z.B. von der deutschen Krankenversicherung BIG, Google Health aus USA, Microsoft Health Vault aus USA)
Klar, viele Beispiele aus anderen Staaten sind nicht 1:1 übertragbar auf Deutschland, dafür sind die Gesundheitssysteme einfach zu heterogen. Dennoch weisen sie den Weg und jedes Land wird sich seine eigene Nische suchen.Angesichts der hohen Qualität dieser Angebote stellt sich natürlich die Frage, welche Rolle die Online-Angebote der Healthcare-Unternehmen in dieser schönen neuen Online-Welt spielen. Für uns steht fest:Healthcare-Unternehmen müssen sich anstrengen, um mit neuen Online-Diensten einen Mehrwert zu schaffen Viele Angebote, sei es von Versicherern, Gesundheitsportalen, Patienten oder Ärzten, sind mittlerweile so fortgeschritten, groß und reif (viele sind bereits zehn Jahre auf dem Markt!), dass es sich nicht lohnen dürfte, damit zu konkurrieren.Natürlich gibt es Marktlücken, besonders in neuen technischen Feldern (wie z.B. iPhone-Apps, iPad-Apps) oder in bislang wenig beachteten Indikationen, die durch Healthcare-Unternehmen durch neue, innovative Angebote geschlossen werden können. Pfizer stellte z.B. gleich fünf iPhone-Apps für den französischen Markt vor.Eine andere Strategie kann sein, bestehende Angebote zu sponsern (wie es z.B. Roche bei einigen Patientenblogs macht, z.B. Femmes avant tout aus Frankreich), Services zu lizensieren (wie es Siemens in Deutschland mit Microsoft Health Vault tut) oder sich in bestehende Angebote einzuklinken, wie Novartis im Falle von PatientsLikeMe. Hier wurde in den USA gemeinsam eine Plattform für Transplantationspatienten ins Leben gerufen.
Inwieweit sich Healthcare-Unternehmen in allen oben geschilderten Bereichen des wachsenden digitalen Gesundheitssystems einklinken können, bleibt abzuwarten. Viele der Anbieter – seien es öffentliche oder private Stellen – bleiben momentan auf Distanz zur Industrie, manche bieten aber auch (zum Teil stark beschränkte) Werbe- oder Beteiligungsmöglichkeiten an.Nächste Woche stellt Ralf Pfau einige der oben genannten Sites ausführlicher vor.