Das Konzept der Personalisierung von Webseiten verspricht Mehrwert für Kunden und Unternehmen gleichermaßen: durch mehr Relevanz für die eine und mehr Business Value für die andere Seite. Je nach Umfang und Komplexität der Aufgabe übernehmen Personalization Engines die Automatisierung des Prozesses. Im Pharma- und Healthcare Marketing (vor allem im Rx-Bereich) sind PEs allerdings nur schwer effektiv zu nutzen – hier können aber auch manuell erzeugte Regeln Mehrwert schaffen.
Schon seit einiger Zeit setzen Webseiten bei der Darstellung von Inhalten auf das Konzept der Personalisierung. Webseitenbesucher bekommen hierbei eine individualisierte, „persönliche“ Version der entsprechenden Seite angezeigt – mit jeweils unterschiedlichen Inhalten oder in alternativer Aufmachung. Die Spielarten reichen dabei von angepassten Landingpages über Empfehlungen bis hin zu speziellen Angeboten für neue oder wiederkehrende Kunden. Den Möglichkeiten sind kaum Grenzen gesetzt. Bei der Umsetzung greifen v. a. große Onlineshops oder Streaming-Portale auf die Möglichkeiten der Automation mittels sogenannter Personalization Engines (PEs; auch: Recommendation Engines) zurück.
Sinn und Zweck einer Personalisierung
Zielsetzung einer Personalisierung ist die Verbesserung der Leadgenerierung bzw. Conversion Rate – sei es in Form von Verkäufen (ergo: Umsatz), Registrierungen (Kundendaten) oder Ad Impressions (Werbeeinnahmen). Gleichzeitig verspricht das Konzept für den Kunden ein besseres Nutzungserlebnis, relevantere Inhalte sowie eine stärkere Wahrnehmung seiner Bedürfnisse und Wünsche. Dies wiederum dient sowohl der Kundenbindung als auch allgemein der Verbesserung des Serviceerlebnisses.Grundsätzlich ist eine Personalisierungsstrategie für eine Vielzahl von Bereichen und Inhalten geeignet. Auch im Healthcare Marketing haben maßgeschneiderte Informationen und Angebote großes Potenzial. Allerdings gilt es hier, die besonderen Voraussetzungen des Gesundheitsmarktes zu berücksichtigen – allen voran die Anforderungen des HWG oder ethische Aspekte. Wie realistisch und sinnvoll ist vor diesem Hintergrund der Einsatz von PEs im Rx-Segment?
Automatisch Regeln erzeugen
Ganz allgemein beruht eine Personalisierung auf der Erstellung und Anwendung von Regeln, welchem Zielgruppensegment welche Inhalte auf welche Weise dargestellt werden sollen. Die Regelerstellung kann sowohl manuell als auch automatisch durch eine PE erfolgen. Eine PE erzeugt die Regeln meist nach dem Trial-and-Error-Prinzip: Besuchern der Webseite werden immer wieder neue Kombinationen von Inhalten und Darstellungen präsentiert; dabei wird geprüft, welche Variante am besten funktioniert (ergo: sich die Conversion am stärksten verbessert). Basierend darauf entscheidet die PE, welchen Besuchern zukünftig welche Inhalte auf welche Weise angezeigt werden. Hier wird deutlich: Je nach Zielgruppengröße und Angebotsumfang würden bei manueller Bearbeitung der notwendige Aufwand und die damit verbundenen Kosten schnell ausufern. PEs hingegen übernehmen diesen Prozess weitgehend automatisch. Zudem sind sie in der Lage, bestehende Regeln kontinuierlich zu validieren und ggf. anzupassen oder zu verwerfen. So lassen sich auch die recht hohen initialen Kosten eines PE-Systems rechtfertigen.
Klassifizierung von Besuchern und Inhalten
Um die Besucher einer Website sinnvoll zu segmentieren, benötigt eine PE Informationen. Dabei handelt es sich um Daten über das Nutzerverhalten auf der Webseite (z. B. Einstiegsseiten, Klickwege oder Verweildauer), Webattribute (z. B. Gerätetyp, Geo-Location, Uhrzeit) oder um Daten aus anderen Quellen (z. B. einem CRM-System oder Social Media). Diese gilt es, miteinander zu verknüpfen und jene Besuchergruppen zu identifizieren, bei denen bestimmte Inhalte oder Darstellungsformen besonders gut „funktionieren“. Entsprechendes gilt für die Inhalte: Um ein möglichst passgenaues Nutzungserlebnis zu ermöglichen, müssen auch sie anhand von Attributen klassifiziert werden. Hierfür sind häufig die Verschlagwortung der Inhalte, die Inhaltsbestandteile sowie dynamisch ermittelte Daten (z. B. Klickraten, Bewertungen) nützliche Quellen.
Viel hilft viel
Aber nicht nur die Daten allein sind entscheidend, auch ihre statistische Signifikanz: Erst wenn eine kritische Masse an Besuchern ein bestimmtes, reproduzierbares Verhalten zeigt, kann davon ausgegangen werden, dass dies nicht auf Zufall beruht. Und nur dann können daraus sinnvolle Annahmen getroffen und Regeln abgeleitet werden. Eine automatisierte Personalisierungsstrategie macht also nur dann wirklich Sinn, wenn die Webseite über eine genügend große Besucherzahl verfügt. Ist diese hingegen zu gering, kann es mitunter sehr lange dauern, bis signifikante Ergebnisse vorliegen (siehe Grafik).Beispiel-Szenarien für die Auswirkung von Komplexität und Besucherzahlen.
Für drei Szenarien mit unterschiedlicher Komplexität ist hier aufgelistet, wie lange ein Durchlauf brauchen würde, bis die „beste“ Variante mit 95 %iger Verlässlichkeit gefunden wurde.Die Kernaussage dieser Beispiel-Szenarien ist, dass a) höhere Varianz die Testlaufzeit sehr schnell wachsen lässt und b) hohe Nutzerzahlen diese aber wieder auf ein erträgliches Maß schrumpfen lassen.Diese Berechnung ist unabhängig davon, ob diese Tests manuell oder mittels einer PE durchgeführt werden.
Quellen: Webseite zur Formel, Formel in Excel
Gerade im Bereich der Facharztkommunikation aber sind manche Zielgruppen ohnehin schon von überschaubarer Größe – dies gilt umso mehr, da die Entwicklung neuer Indikationsbereiche, und die damit einhergehende zunehmende Spezialisierung, diesen Zustand noch verstärkt. Allerdings wird dadurch auch die Notwendigkeit und der Wunsch nach einer zielgerichteten, personalisierten Marketing- und Kommunikationsstrategie deutlich.
Erwünschtes Verhalten
Um effektiv beurteilen zu können, welche Inhalte bei welchen Nutzern wirken, ist außerdem eine Metrik für „erwünschtes Nutzerverhalten“ notwendig: Welche Ereignisse sollen positiv bewertet werden? Positive Ereignisse (z. B. Kauf, Anmeldung Newsletter, Weiterempfehlung) lassen Rückschlüsse darüber zu, welche Inhalte oder Darstellungen das Nutzerverhalten beeinflusst haben könnten. Oft lässt sich das erwünschte Nutzerverhalten aus dem Business Value ableiten. Sind diese eng miteinander verknüpft (Kauf = Umsatz bei Onlineshops oder Klicks = Ad Impressions bei werbefinanzierten Angeboten), sind entsprechende Metriken relativ leicht zu ermitteln.Schwieriger wird es hingegen, wenn die Webseite nur indirekt dem Unternehmenszweck dient, also v. a. Image- und Informationscharakter hat. Das Rx-Segment stellt in dieser Hinsicht eine besondere Herausforderung für das Marketing dar – nicht nur aufgrund gesetzlicher Vorgaben, sondern auch aufgrund der sehr heterogenen Anspruchsgruppen aus Pharmaindustrie, Krankenkassen, Leistungserbringern und Patienten. Hinzu kommt, dass Kommunikation, Vermarktung und Vertrieb auf bisher kaum miteinander verknüpften Kanälen stattfinden. Business Value und Nutzerverhalten hängen hier also nur sehr lose zusammen: Es lassen sich z. B. nur schwer direkte Zusammenhänge zwischen dem Interesse an neuen Studienergebnissen oder dem Download einer Arztbroschüre und der Anzahl zukünftiger Verschreibungen herstellen.
Personalisierung ja, aber …
Klar ist: Website-Personalisierung ist keine Modeerscheinung. Webseiten, die ihre Inhalte am Bedarf und Interesse ihrer Nutzer anpassen, werden zumeist positiver beurteilt – dies gilt auch für das Rx-Marketing. Die Bereitstellung von hochwertigem und passgenauem Content für medizinische Fachkräfte ist schon heute ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Doch es zeigt sich auch: Bewährte Marketingansätze lassen sich nicht eins zu eins auf die Pharma- und Healthcare-Branche übertragen. Für die Planung und Einführung einer Personalisierungsstrategie heißt das, die besonderen Anforderungen von Anfang an zu berücksichtigen. In vielen Fällen wird die manuelle Umsetzung zunächst einer großen Automatisierungslösung vorzuziehen sein.