Am Dienstag ist in London die Health 2.0 Europe Konferenz zu Ende gegangen. In mehreren Podiumsdiskussionen wurden verschiedene Gebiete der digitalen Revolution im Gesundheitswesen besprochen. Das Besondere des Konferenzformats: in 5-minütigen „Demos“ stellten jeweils passend zur Podiumsdiskussion etwa 50 (!) Firmen ihre Lösungen vor. Darunter waren viele Start-Ups und einige Forschungsgruppen; Großunternehmen waren nur sehr wenige vertreten.[caption id="attachment_4720" align="aligncenter" width="592"]
Die Health 2.0 Konferenz in London.[/caption]Ich habe mir eine große Menge an tollen Beispielen für die immer noch wachsende Bedeutung digitaler Medien im Gesundheitswesen mitgenommen. Diese Beispiele habe ich in einem eigenen Blogbeitrag zusammengefasst. Hier in diesem Artikel stelle ich zunächst ein paar neue Erkenntnisse vor, die ich an den beiden Konferenztagen gewonnen habe.Es ist unglaublich, was sich alles in Europa tut.Fast alle Demos kamen von europäischen Firmen. Bei meinem letzten Konferenzbesuch vor drei Jahren wurden noch sehr viele US-Projekte gezeigt. Diesmal waren die Länder mit den meisten Teilnehmern die Niederlande und das Gastgeberland England. Eine deutsche Firma war nicht vertreten.Es gibt nicht das eine EuropaIn Europa bastelt jeder an seiner eigenen Lösung. Für Patienten entsteht zum Beispiel in den Niederlanden gerade ein neues soziales Netzwerk für Krebspatienten kanker.nl. Dieses steht in direkter Konkurrenz mit dem belgischen Netzwerk esperity.com, welches Krebspatienten mit der grenzüberschreitenden Suche nach einem „Medical Twin“ überzeugen möchte. Dazu wird das Netzwerk bald in mehreren Sprachen verfügbar sein.[caption id="attachment_4723" align="aligncenter" width="592"]
kanker.nl[/caption][caption id="attachment_4724" align="aligncenter" width="592"]
esperity.com[/caption]Als Hauptgrund für diese Zersplitterung wurden die Sprachbarrieren genannt. Während es für viele Ärzte und Patienten manchmal auch ok ist, wenn Fachinformationen nur auf Englisch vorliegen, gilt spätestens für Interaktionen und Austauschformate, dass diese nur in der Landessprache gelingen.Die Qualität der Lösungen ist beachtlich.Die gezeigten Projekte weisen fast durchgängig einen sehr hohen Reifegrad auf: Randomisierte klinische Studien, um die Effektivität zum Beispiel von Patienten-Apps zu belegen, gehören mittlerweile zum guten Ton; die Integration verschiedener Plattformen und der offene Datenaustausch ist Ziel von vielen Unternehmen; viele Firmen beziehen Patienten und Ärzte in die Entwicklung ihrer Lösungen ein.Es ist offen wohin die Reise geht.Während die Lösungen reifer werden, zeichnen sich aber in vielen Bereichen noch keine Marktführer ab. Wie Sie nächste Woche an den Beispielen sehen können, ist der Markt in viele Nischen (oft nach Indikation und Anwendungsgebiet) aufgeteilt. Alle Anbieter sind sich aber durchaus bewusst, dass es so nicht bleiben kann und eine Integration der verfügbaren Anwendungen und Daten notwendig ist: Denn weder Ärzte noch Patienten haben Lust, mit vielen verschiedenen Apps und Websites zu arbeiten.Daten, Daten, DatenAuch im Health 2.0 Bereich nehmen die Datenmengen über Hand. Jede Anwendung will mit Daten gefüttert werden, jede Tracker-App zeichnet Unmengen an Messdaten auf, jeder Arzt soll sich aus mehreren Systemen Information zur Diagnose und Therapie eines Patienten holen. Wann sind nicht mehr die Ärzte und Patienten die Integratoren dieser Daten sondern intelligente Systeme?Eine interessante Lösung für den Gesunden und den Patienten ist TicTrac.com:[caption id="attachment_4725" align="aligncenter" width="592"]
tictrac.com[/caption]Dieses System versucht alle vorhanden Datenquellen zu erfassen, um Muster zu erkennen. Sogar Arbeitsdaten und die Anzahl der geschriebenen und gelesenen Emails kann erfasst werden; insgesamt können über 200 Datenquellen angeschlossen werden. So soll man erkennen können, ob vielleicht der eigene Stresslevel an einem bestimmten Tag etwas mit der Menge an gelesenen Emails zu tun hat.Design wird immer wichtigerAn mehreren Stellen wurde betont, dass alle Plattformen in Konkurrenz zu den großen sozialen Netzwerken wie Facebook stehen und dass deshalb das Design der Benutzeroberfläche sehr wichtig sei. Eine Firma beschrieb ihre Budgetaufteilung mit 70% Design und 30% Development; die Entwickler der Research-Plattform Disqover sagten „We want to be as easy as Google, as slick as Apple, as fun as Angry Birds.”[caption id="attachment_4726" align="aligncenter" width="592"]
Die Research-Plattform Disqover.[/caption]Simple Ideen gewinnenUnd wie so oft waren die heimlichen Stars der Konferenz die einfachen Ideen, bei denen man sich fragt, warum nicht schon längst einer drauf gekommen ist. Idify ist so ein Programm: eine abgespeckte Timeline, technisch kaum der Rede wert, aber wirkungsvoll um Demenzkranke an schöne Momente in ihrem Leben zu erinnern.[caption id="attachment_4727" align="aligncenter" width="592"]
Das Idify-Tool für Demenzkranke.[/caption]Oder Teddy the Guardian, ein Teddybär, der Sensoren besitzt, um bei kleinen Kindern die Herzfrequenz zu messen. Indem die Kinder den Teddy einfach an die Hand nehmen, lassen sich schneller bessere Daten gewinnen. Das kroatische Startup hat bereits Bestellungen im Wert von 500.000€ eingesammelt.[caption id="attachment_4728" align="aligncenter" width="592"]
teddytheguardian.com[/caption]Die großen Unternehmen waren nicht mehr so präsentIm Jahr 2010 hatten viele Demos noch einen Bezug zu einem großen Unternehmen (meistens Pharmakonzerne). Diesmal fiel mir nur die Janssen Healthcare Innovation Initiative auf. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, Janssen von einem „Healthcare Product Provider“ zu einem „Health Care Provider“ zu entwickeln und hat mehrere Pilotprojekte unter der Dachmarke Care4 Today gestartet.[caption id="attachment_4729" align="aligncenter" width="592"]
janssenhealthcareinnovation.com[/caption]Außerdem wurde von Janssen eine „Digital Health Master Class“ ins Leben gerufen – ein 9-tägiges Camp in drei europäischen Städten, bei denen 20 Startups durch eine Gruppe von Experten gecoacht und gecastet wurden. Ein Teil dieser Startups wird nun von der Janssen Healthcare Innovation Inititative weiter betreut.Was alle Anbieter eint, ist eine enorm hohe Motivation, voran zu kommen.Ein Großteil der Redner hatte einen persönlichen Bezug zum Thema; viele hatten einen Krankheitsfall in der Familie, der sie zu einer Lösungsidee motivierte. Am emotionalsten haben aber natürlich doch wieder die Amerikaner ihre Motivation auf den Punkt gebracht. In einem Film für die Ärzte-Community sermo beschreibt ein Arzt der Hilfsorganisation Floating Doctors, wie er im Mittelamerikanischen Dschungel dank sermo schwierige Patientenfälle löst:
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