Reines Push über Messenger kann eine gute Ergänzung im Kanalmix sein. Der Clou für Bot-Projekte liegt aber in der smarten Auswahl eines richtig spitzen Anwendungsszenarios. Denn „echte“ Gespräche sind für unser Feld noch Zukunftsmusik.
Fast jeder von Ihnen hat schon mal davon gehört, einige nutzen sie bereits regelmäßig. Die Rede ist von Chatbots oder einfach nur Bots, technischen Dialogsystemen, die automatisiert, ohne direkten menschlichen Eingriff, auf Text- oder Spracheingabe reagieren. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. Je nach Qualität des dahinter liegenden Systems fallen die Antworten unterschiedlich sinnvoll aus.Aufgrund des Fortschritts in künstlicher Intelligenz (KI) und der starken Verbreitung von Messengern, wie z. B. WhatsApp, erfährt das Thema seit einiger Zeit einen ziemlichen Hype. Mark Zuckerberg sprach auf der F8-Konferenz gar von 200.000 Bots allein im Facebook Messenger. Aber können sie auch eine sinnvolle Ergänzung bestehender Kommunikationskanäle darstellen und sowohl Nutzern als auch Unternehmen einen echten Mehrwert bieten?
1. Die einfache Variante: reine Push-Bots
Einfache Bots, sog. „Push-Bots“, liefern standardisierte Informationen wie z. B. Nachrichten oder Wettervorhersagen, welche mittels einiger weniger Angaben des Users angepasst werden (z. B. Themen, Orte, Uhrzeiten). Dabei handelt es sich im Prinzip um nichts anderes, als eine Variante eines personalisierten Newsletters. Das ist schön und praktisch, der Mehrwert ist aber überschaubar. Ein echter Dialog findet hier eher selten statt. Drei Beispiele hierfür sind:
- Novibot von ARD & ZDF
- Tech-News von Heise
- Der Blog, den Sie gerade lesen – Sie können ihn über WhatsApp abonnieren. Die Automatisierungen sind einfacher Natur wie „Anmelden/Abmelden“.
Für das Marketing ist diese einfache Form des Bots eine interessante Erweiterung des bestehenden Kanal-Mixes. Die Öffnungsraten sind im Vergleich zu E-Mails fantastisch! Die Mühe allerdings liegt darin, den Opt-in des Nutzers zu bekommen. Hinzu kommt, dass ich mich als Unternehmen dem Thema stellen muss, ggf. wirklich in einen Einzeldialog zu gehen. Wenn ich sehe, wie viele Newsletter von „no-reply@...“ versendet werden, dann lässt mich das zweifeln, wie oft ein Dialog wirklich gewünscht wird. Hier im Chat-Kanal ist er unumgänglich. Sie werden sicherlich nicht allzu viele Einzelgespräche führen – aber es wird sie geben. Ich persönlich sehe das durchaus als Chance.Meine Empfehlung: Klicken Sie wirklich auf einen der Beispiel-Links oben und abonnieren Sie den Bot für eine Woche. Es tut nicht weh und ist sehr lehrreich.
2. Variante: geführte Dialoge
Deutlich mehr Potential bieten sog. „Guided Bots“, die einen gelenkten Dialog ermöglichen. Ziel ist es, dem Anwender innerhalb eines bestimmten Themenbereichs anhand von Ja-/Nein- und/oder Multiple-Choice-Fragen möglichst genaue und umfassende Antworten zu liefern. Die Möglichkeiten vom vorgegebenen Rahmen abzuweichen sind begrenzt. Machen die Eingaben für das System keinen Sinn, kommt der Dialog schnell zum Erliegen. Orientiert sich der Anwender aber an den Vorgaben und gibt dem Bot mehr oder weniger detaillierte Informationen mit „ins Gespräch“, erhält er unter Umständen recht gute Antworten bezüglich seines Anliegens.Auch im Gesundheitsbereich kommt diese Art von Bots bereits zum Einsatz. Anwender können gesundheitsbezogene Fragen stellen und Symptome checken, im Anschluss erhalten sie Diagnosevorschläge und mögliche Behandlungsempfehlungen. Beispiele hierfür sind:
- Sapia, der Symptom-Checker von NetDoktor oder
- Der persönliche Gesundheitsbegleiter GYANT oder
- Woebot – in meinen Augen eines der am besten gemachten Beispiele
Auch die „Gesundheitshelferin“ Ada, der ich bereits einen gesonderten Blogbeitrag gewidmet habe, ist letztlich nichts anderes, als ein Chatbot in Form einer Smartphone-App.
Für das Marketing spielt in dieser Kategorie der gut geführten, vorgegebenen Dialoge aktuell die Musik für potenzielle Projekte. Da ist es möglich, mit einem ,normalen‘ Budget eines Brand-Teams etwas zu entwickeln – wenn der Case gut und spitz gewählt ist.Offene Fragen, wie im GYANT-Beispiel (mit meiner Antwort „Bauchschmerzen“) sind wirklich heikel. Das ist extrem schwierig abzufangen und es steckt viel Arbeit in einem Bot, bis der User auf solche Fragen zu 99 % eine gute Antwort bekommt. Und natürlich macht Freitexteingabe das Thema Pharmakovigilanz noch größer, als es ohnehin schon ist. Es sollte insgesamt aber in meinen Augen nicht abschrecken – es gilt, es eben zu berücksichtigen.
3. Variante: wirklich dialogfähige Bots
Die Bots, mit denen ich chatten kann, als wäre mein Gegenüber ein ‚normaler Mensch‘, sind zumeist jene, welche die Leute vor Augen haben, wenn sie von Automatisierung, von KI und echter Dialogfähigkeit reden. Zukünftig wird das ein sehr spannender Bereich werden.Aktuell kann ich mir noch nicht vorstellen, dass sich ein Healthcare-Unternehmen traut, einen Bot unkontrollierbar im eigenen Namen sprechen zu lassen. Das Drama „Freigabe“ war schon groß genug, als Social Media aufkam. Für den Einsatz eines Bots in diesem Kontext sehe ich noch viel Change-Arbeit in den PR-Abteilungen vor uns. Das wird also dauern. Zumal auch die technische Entwicklung noch nicht so weit ist, dass ich ein solches Projekt wirklich empfehlen könnte.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo wir heute stehen, können Sie einfach mal mit dem Quasi-Weltmeister der künstlichen Dialoge reden. Der Bot Mitsuku hat wiederholt Preise bei Wettbewerben gewonnen. Wenn Sie ihn testen, werden Sie relativ schnell auch an seine Grenzen stoßen. Und natürlich: In ein bis zwei Jahren kann das alles schon ganz anders aussehen mit solchen Projekten.
Fazit
Mein Fazit – und jetzt wiederhole ich mich – ist damit: Probieren Sie die oben verlinkten Beispiele wirklich kurz aus. Selber machen bringt oft so viel mehr.Die Kategorien Push und geführter Dialog können sich jetzt schon lohnen. Ein wenig Forschungscharakter wird man in diesen Projekten noch spüren, einfach weil das Thema relativ neu ist. Aber wenn man das als Reiz empfindet, dann kann es sich auszahlen, hier einer der Ersten zu sein.